Interview mit Falko Fecht
„Hemmschuh für ein sinnvolles Geschäftsmodell“
Professor Falko Fecht von der Frankfurt School of Finance & Management spricht im Interview kritisch über die EU-Bankenunion. Die einheitliche europäische Aufsicht setze zu stark auf Kennzahlen und berücksichtige zu wenig qualitative Aspekte, die gerade im Geschäftsmodell der kundennahen Regionalbanken eine zentrale Rolle spielen. Außerdem sieht der Finanzwissenschaftler Schwächen beim neuen Abwicklungsmechanismus.
Vorübergehender Sitz des SSM: Das Japan-Center in Frankfurt am Main. Foto: Imago / Hoffmann
Herr Professor Fecht, der einheitliche europäische Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) arbeitet intensiv mit quantitativen Informationen. Qualitative Komponenten spielen eine nachgeordnete Rolle. Ist das nicht gerade für die deutschen Regionalbanken mit ihrer Nähe zum Kunden ein Nachteil?
Fecht: Gerade in Deutschland spielt die Hausbankbeziehung nach wie vor eine gewichtige Rolle in der Unternehmensfinanzierung. Hierbei fließen Informationen aus den unterschiedlichsten Geschäftsbeziehungen zwischen einer Bank und ihrem Kunden in die Kreditentscheidung ein, darunter auch viele nicht standardisierbare qualitative Einschätzungen. In der Forschung ist inzwischen gut dokumentiert, dass diese Kunde-Bank-Beziehung zu besseren Kreditentscheidungen und einer breiteren Kreditverfügbarkeit beiträgt. Insofern gereicht die stärker quantitative Ausrichtung in der Aufsicht nicht nur der Mehrzahl deutscher Banken eher zum Nachteil, sie erweist sich auch als ein Hemmschuh für ein ökonomisch sehr sinnvolles Geschäftsmodell. Dies erscheint mir umso paradoxer, als in der Konsequenz der Finanzkrise die Politik eine stärkere Fokussierung der Banken auf ihr traditionelles Kreditgeschäft fördern wollte.
Profil: Genossenschaftsbanken und Sparkassen, die sogenannten „weniger signifikanten“ Institute besitzen mit der Institutssicherung bereits einen umfangreichen Schutzmechanismus. Im Rahmen des einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsmechanismus (SRM) müssen aber alle Banken in einen Abwicklungsfonds einzahlen, der schrittweise auf europäischer Ebene vergemeinschaftet wird. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Fecht: Letztlich wirkt eine Versicherung, wie sie der Abwicklungsfonds darstellt, effizienter, wenn Risiken auf möglichst vielen tragfähigen Schultern verteilt werden. Allerdings muss dabei sichergestellt werden, dass sich die Versicherungsbeiträge auch an der erwarteten Schadenshöhe orientieren, das heißt den erwarteten Abwicklungskosten der betreffenden Banken. Gilt dies nicht, hat ein solcher Abwicklungsfonds massive Umverteilungswirkungen zwischen den Mitgliedsländern. Er verzerrt darüber hinaus den Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Banken und fördert riskante Geschäftsmodelle. Die Ausgestaltung des SRM berücksichtigt meines Erachtens die Unterschiede in den erwarteten Abwicklungskosten zwischen Banken in den verschiedenen Mitgliedsstaaten und zwischen verschiedenen Geschäftsmodellen nahezu überhaupt nicht. So findet eben auch die Einbindung einer Bank in die verschiedenen Mechanismen der Institutssicherung keine ausreichende Berücksichtigung.
Falko Fecht
Ein Ziel der Bankenunion ist die Finanzmarktstabilität. Wird die Kapitalmarktunion zu diesem Ziel ebenfalls beitragen?
Fecht: Die Initiative der EU-Kommission zur Kapitalmarktunion gibt vor, einen echten Binnenmarkt für Kapital schaffen zu wollen. Dies wäre sicher wünschenswert und würde die Finanzstabilität eher fördern. Doch wie so oft liegt der Teufel im Detail. Denn eigentlich zielt die Initiative vor allem darauf ab, den Markt für Fremdkapitaltitel zu forcieren und stärker für kleine und mittlere Unternehmen zu öffnen, sei es durch die Förderung der Kreditverbriefung, der Mittelstandsanleihen, des Crowdfunding und der privaten Platzierung von Fremdkapitaltiteln. Dies verlagert aber die Unternehmensfinanzierung von regulierten Banken weg hin zu anderen Finanzinstituten, insbesondere nicht regulierten und damit krisenanfälligeren Schattenbanken. Die Initiative konterkariert damit auch die stabilisierende Wirkung der restriktiveren Bankenregulierung und der Bankenunion.
Das gesamte Interview mit Professor Falko Fecht ist in der September-Ausgabe von „Profil - das bayerische Genossenschaftsblatt“ erschienen.