Rechtsgrundlage der EU-Einlagensicherung
Kommissionsentwurf steht auf keinem tragfähigen Fundament
Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission für eine europäische Einlagensicherung basiert auf keiner tragfähigen Rechtsgrundlage. Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem das Centrum für Europäische Politik (cep).

EU-Finanzmarktkommissar Jonathan Hill: Die Pläne für die europäische Einlagensicherung stehen auf einer wackligen Rechtsgrundlage.
Die Beamten von EU-Kommissar Jonathan Hill berufen sich auf den Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Das Centrum für Europäische Politik (cep) kommt hingegen zu dem Ergebnis, dass die sogenannte Binnenmarktkompetenz nicht angewendet werden kann. Ein Gutachten im Auftrag der Deutschen Kreditwirtschaft hält den Artikel 114 ebenfalls für ungenügend. Für die Bundesregierung wären das gute Nachrichten: Sie könnte den Gesetzgebungsprozess mit einem Veto stoppen. Ebenso wie die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken lehnt Berlin eine gemeinsame europäische Einlagensicherung ab.
Artikel 114 besagt, dass Europaparlament und Rat der EU „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben“ erlassen können. Die Kommission steht auf dem Standpunkt, dass ein europäisches Einlagensicherungssystem (kurz: EDIS für European Deposit Insurance Scheme) „für die angestrebte Verwirklichung eines harmonisierten Einlagensicherungsrahmens von wesentlicher Bedeutung“ ist und den Harmonisierungsprozess bei Finanzdienstleistungen erleichtern dürfte.
Artikel 114 kommt als Rechtsbasis nicht in Frage
Die Juristin Anne-Kathrin Baran, wissenschaftliche Referentin beim cep, widerspricht: Die EDIS-Verordnung habe nicht zwingend Auswirkungen auf die sehr unterschiedlich ausgestalteten nationalen Vorschriften, die die Mitgliedsstaaten im Zuge der bereits geltenden EU-Einlagensicherungsrichtlinie erlassen haben. „Trotz des vorgesehenen europäischen Einlagensicherungsfonds können die Einlagensicherungsfonds in den einzelnen Mitgliedsstaaten weiter bestehen. Daher spricht vieles dafür, dass die EDIS-Verordnung eben nicht zu einer Harmonisierung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften beiträgt, wie es der Artikel 114 voraussetzt“, erklärt Baran.
Auch die zweite Voraussetzung des Artikels 114, die Verbesserung des Binnenmarkts, ist ihrer Ansicht nach nicht einschlägig: „EDIS führt nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer Spaltung des Binnenmarkts zwischen der Eurozone, für die EDIS gelten würde, und den EU-Staaten außerhalb der Eurozone“, erläutert Baran. Die Verordnung verbessere nicht einmal den Binnenmarkt innerhalb der Eurozone, weil bestimmte bereits bestehende Wahlrechte für die Mitgliedsstaaten nach der geltenden Einlagensicherungsrichtlinie erhalten bleiben sollen. „Außerdem scheint das wesentliche Ziel der Verordnung die Stärkung der Finanzstabilität und nicht die Verbesserung des Binnenmarkts zu sein. Der Artikel 114 kommt daher nicht als Rechtsgrundlage infrage“, so die Juristin.
„Kompetenzergänzungsklausel“ als einzige Rechtsgrundlage
Als Alternative bietet sich der Artikel 352 AEUV an. „Die sogenannte Kompetenzergänzungsklausel ist momentan die einzige Rechtsgrundlage in den EU-Verträgen, die in Betracht kommt“, erklärt Baran. Artikel 352 ermöglicht eine Gesetzesinitiative, wenn „ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich [erscheint], um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und […] in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen [sind]“. Allerdings gibt es dabei ebenfalls Unwägbarkeiten. „EDIS könnte auf Artikel 352 gestützt werden, wenn die Verordnung das Vertrauen der Einleger innerhalb der Eurozone insgesamt stärkt und damit der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion dient“, meint Baran. „Ob dies der Fall ist, kann man aber nicht im Voraus absehen.“
Die Frage der Rechtsgrundlage ist alles andere als banal. Bei der Binnenmarktkompetenz müsste der EDIS-Entwurf den ordentlichen Gesetzgebungsprozess durchlaufen. Hier entscheiden Parlament und Rat gleichberechtigt – der Rat stimmt mit qualifizierter Mehrheit ab. Folglich könnte der Widerstand aus Deutschland überstimmt werden, was bei der Kompetenzergänzungsklausel nicht möglich wäre. Denn dabei gilt das Einstimmigkeitsprinzip.
Der vollständige Artikel ist in der Mai-Ausgabe von „Profil - das bayerische Genossenschaftsblatt“ erschienen.